Meilensteine der Gesellschaft für Epilepsieforschung e.V.
Gründung
Am 11. Oktober 1955 ist auf „Anregung der Vorstände der v. Bodelschwinghschen Anstalten und mit Unterstützung des Herrn Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Herrn Karl Arnold, die 'Gesellschaft für Epilepsieforschung' gegründet worden” so heißt es im §1 der damaligen Satzung der Gesellschaft.
Ziele
Die Gesellschaft setzt sich zum Ziel, die Ursachen der verschiedenen Erscheinungsformen der Epilepsie wissenschaftlich zu erforschen, die jeweils zweckmäßigen Behandlungsformen gegen diese Krankheit zu entwickeln oder ihre Entwicklung zu fördern und Einrichtungen für diese Forschungszwecke in Verbindung mit der Anstalt Bethel zu schaffen, auszubauen und zu unterhalten (§ 2).
Gründungsmitglieder
Karl Kisker, Fabrikant und Direktor der Ravensberger Spinnerei AG in Bielefeld
Pastor Wilhelm Brandt, Sarepta
Reg. Vizepräsident v. Lüpke, Minden
Pastor Wilhelm Gravemann, Bethel
Pastor August Jungblut, Bethel
Pastor Friedrich v. Bodelschwingh, Vorsteher der Anstalt Bethel
Pastor Eduard Wörmann, Bethel
Pastor Rudolf Hardt, Anstaltsleiter, Bethel
Pastor Willi Schildmann, Eckardtsheim
Prokurist Theodor Huber, Bielefeld
Pastor K.H. Lähnemann, Freistatt
Pastor Willi Schwennen, Wittekindshof
Hausvater Hermann Nöh, Bethel
Pastor Robert Frick, Kaiserswerther Diakonie, Düsseldorf
Erster Landesrat Dr. Helmut Naunin, Landschaftsverb. Westf.-Lippe, Münster
Erster Vorstand
Pastor Rudolf Hardt, Anstaltsleiter
Pastor Friedrich v. Bodelschwingh in Bethel, Vorsteher der Anstalt Bethel
Prof. Dr. med. Gerhard Schorsch, Leitender Arzt an der Anstalt Bethel
Dr. jur. Karl Jacobshagen als 1. Geschäftsführer
Ministerialdirigent a.D. Kurt Jacobi in Bethel als 2. Geschäftsführer
Wichtigstes Vorhaben: Bau einer Forschungsklinik
Zum ersten Vorhaben der neu gegründeten Gesellschaft gehörte es, eine Forschungsklinik zu errichten. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, der auch Vorsitzender des Kuratoriums der Gesellschaft für Epilepsieforschung wurde, initiierte eine Kampagne, um die finanziellen Mittel (damals rund 2 Mio. DM) und Mitglieder für die Gesellschaft zu werben.
Unterstützt wurde er vom Kuratorium, das zahlreiche Namen aus der Industrie und Wissenschaft versammelte.
Kuratorium
- Leopold Arnsperger, Vorsitzender des Vorstandes der Knoll-AG Ludwigshafen
- Prof. Dr. Bürger-Prinz, Direktor der Psychiatr. Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf
- Dr. Burman, Ministerialdirektor, Bonn, Bundesministerium des Innern
- Ewald Kipper, Direktor der Asta-Werke, Brackwede
- Karl Kisker, Fabrikant, Bielefeld
- Dr. Köchling, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Münster
- Dr. Heinrich Kost, Generaldirektor der Gewerkschaft Rhein-Preußen Homberg (Niederrhein)
- Dr. Krekeler, Botschafter, Washington, USA
- Dr. Ing. Hugo Krueger, Bergwerksdirektor, Vorstandsmitglied der Harpener Bergbau-AG, Dortmund
- Prof. Dr. Mauz, Direktor der Universitäts-Nervenklinik, Münster
- Dr. Meyers, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
- Dr. H. Rudolph, Sozialminister des Landes Niedersachsen, Hannover
- Prof. Dr. Walter Schulte, Direktor der Landesheil- und Krankenanstalt, Gütersloh
- D. Sträter, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
- Prof. Dr. W. Tönnis, Direktor der Neurochirurg. Universitäts-Klinik Köln
- Prof. Dr. Vilinger, Direktor der Universitäts- Nervenklinik, Marburg
- Prof. Dr. P. Vogel, Direktor der Nervenabteilung der Med. Universitäts-Klinik Heidelberg
- Dr. jur. H. Wellhausen, MdB, Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, Nürnberg
- Dr. A. Zimmer, Innen- und Sozialminister des Landes Rheinland-Pfalz, Mainz
Neubau der Epilepsieklinik Mara: Eröffnung 1963
Der Aufruf, verbunden mit Pressearbeit und einer Hörfolge im Radio über Epilepsie blieb nicht ungehört. Drei Jahre später konnte der Grundstein für die neue Epilepsieklinik Mara gelegt werden und 1962 war sie bezugsfertig. Zahlreiche Gemeinden und Städte traten der Gesellschaft bei, z.B. der Landkreis Recklinghausen, die Stadt Oberhausen, die Stadt Wuppertal und die Stadt Witten/Ruhr, und weitere Mitstreiter konnten gewonnen werden, z.B. Leopold Arnsperger, Konsul und Vorsitzender der Knoll AG, Ludwigshafen, Ewald Kipper, der Vorstand der ASTA-Werke in Brackwede, Dr. Heinz Krekeler, EURATOM-Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Brüssel, und Dr. Heinrich Kost, Generaldirektor der Bergwerksgesellschaft Rhein-Preußen AG.
Förderung durch die Deutsche Studienstiftung
Zur selben Zeit förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Bad Godesberg die Forschungsarbeiten von Prof. Schorsch zur Ursachenforschung. So konnte ein neuer „Hirnschreiber“ (8-fach Direktschreiber EEG-Gerät) angeschafft und zusätzliches Personal eingestellt werden. Um die Gerätschaften unterbringen zu können, wurde eine „Forschungsbaracke” errichtet, die bis 2017 das Biochemische Labor (später Pharmakologisches Labor) der Gesellschaft für Epilepsieforschung beheimatete.
Ab 1976: Bestimmung von Medikamentenkonzentrationen als neuer Schwerpunkt
Nachdem die Biochemische Abteilung der Gesellschaft für Epilepsieforschung sich zunächst der wissenschaftlichen Erforschung der biochemischen Ursachen der Epilepsien widmete, verlagerte sich der Schwerpunkt im Laufe der Zeit zur Mithilfe bei der zweckmäßigen Therapie. Ab Anfang 1976 wurden im Biochemischen Labor unter Leitung von Dr. Bernhard Rambeck Konzentrationen von anfallssuppressiven Medikamenten im Serum mit gaschromatographischen Methoden bestimmt. Bis zur Schließung des Pharmakologischen Labors Mitte 2017 wurden die Methoden stetig weiterentwickelt und alle Daten umfassend dokumentiert. Dies ermöglichte zahlreiche Studien zu Medikamenten-Interaktionen, Bioverfügbarkeit und Pharmakokinetik, die heute in Kooperation mit dem MVZ Labor Krone (Bad Salzuflen) durchgeführt werden.
1980er Jahre: Biometrie und Psychometrie als weitere Arbeitsrichtung
Im Rahmen von pharmakokinetischen Studien war auch die klinische Bedeutung der Ergebnisse, insbesondere die Einflüsse der Medikamente auf psychische Funktionen, von Interesse. Daraus entwickelte sich ab den 1980er Jahren die Biometrie und Psychometrie als neues Aufgabenfeld, das insbesondere durch Dr. Theodor W. May vertreten wurde. Untersuchungen zu Lebensqualität und psychosozialen Auswirkungen von Epilepsien sind auch heute noch ein wichtiges Forschungsgebiet der Gesellschaft für Epilepsieforschung.
Ab 1999: Magnetresonanztomographie (MRT) für Patientenversorgung und Forschung
Mit der Anschaffung eines 1.5-Tesla-MRT im September 1999, ermöglicht durch eine großzügige Spende, wurde ein weiteres Aufgabengebiet innerhalb der Gesellschaft für Epilepsieforschung geschaffen. Unter Leitung von Dr. Friedrich Wörmann wird die strukturelle und funktionelle Magnetresonanztomographie seitdem für die Versorgung der Patienten im Epilepsie-Zentrum Bethel und für zahlreiche Forschungsprojekte genutzt. Ab 2011 ermöglichte ein 3-Tesla-MRT Aufnahmen von höherer Auflösung.
2004: Aufbau des Koordinierungszentrums für Studien in der Epileptologie
Mit dem Aufbau eines Koordinierungszentrums für Studien in der Epileptologie (KSE) unter Prof. Dr. Bernd Pohlmann-Eden als ärztlichem und PD Dr. Theodor W. May als wissenschaftlichem Leiter sollte die klinische Forschung im Epilepsie-Zentrum Bethel ausgebaut und gefördert werden. Neben der Durchführung selbst initiierter Studien ist die Beteiligung an multizentrischen Studien zu Medikamenten gegen Anfälle ein wichtiger Schwerpunkt des KSE. Ermöglicht wurde und wird dies durch erfahrene Prüfärzte und Studienkoordinatorinnen, sowie die hohen und vielfältigen Kompetenzen und Ressourcen des Epilepsie-Zentrums Bethel und der Gesellschaft für Epilepsieforschung.
April 2021: Ein neues MRT für das Krankenhaus Mara
Seit Anfang 2021 ermöglicht ein neues MRT-Gerät, ein 3 Tesla Magnetom Vida, schnellere klinisch-strukturelle Aufnahmen für die Patientenversorgung sowie besser aufgelöste wissenschaftlich-funktionelle MRTs für die Forschung.
Pressestimme
Zur Gründung der Gesellschaft für Epilepsieforschung e.V.
Westfälische Zeitung vom 18.2.1956 (Artikel von Georg Marck)
„Tag für Tag werden nicht selten gerade körperlich gesunde und geistig begabte Menschen von Krampfanfällen befallen, welche die Einleitung eines unabsehbaren Krankheitsverlaufs darstellen, der die Betroffenen aus der wirtschaftlichen und sozialen Bahn schleudert und ihr Lebensglück vernichten kann […]. In der Bundesrepublik erteilte die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Bad Godesberg Prof. Dr. Schorsch, dem leitenden Arzt der von-Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel, den Auftrag, die Ursachen der Epilepsieerkrankung zu erforschen.
Die Betheler Anstalten, die weitaus größte Pflegestätte für epileptisch Erkrankte, haben unter Verwertung der von der Forschung erarbeiteten Erkenntnisse während der letzten 20 Jahre in der klinischen Behandlung dieser Menschen manche ermutigende Erfolge erreichen können. So gelang es mit den bisherigen Methoden, die unablässig verbessert wurden, 51 Prozent der Behandelten im Jahre 1955 so zu helfen, dass sie aus der Anstalt geheilt oder weitgehend gebessert wieder entlassen werden konnten, während es vor 20 Jahren nur 14 Prozent waren. […] Auf Anregung der Vorstände der vBA und mit Unterstützung des Ministerpräsidenten des Landes NW wurde deshalb die Gesellschaft für Epilepsieforschung e.V., Bethel bei Bielefeld, gegründet mit dem Ziel, die Ursachen der verschiedenen Erscheinungsformen der Epilepsie wissenschaftlich zu ergründen, die jeweils zweckmäßigen Behandlungsformen gegen die Krankheit zu entwickeln oder diese Entwicklung zu fördern, wie es u.a. in der Satzung der Gesellschaft heißt."